„Du sollst keine Cuisinière neben mir haben!“, schnaubte die nämliche, als ihr Der Connaisseur gestand, während seiner Gesundheitsvorsorge im mondänen Schloss Kurhotel Strobl zu „Paula“ ins benachbarte St. Wolfgang ausgebüchst zu sein. Neugierig wie sie nun einmal ist, forderte Die Cuisinière umgehend, mehr über „diese Paula“ zu erfahren.
Er befand, dass Schweigen eine der bedeutendsten friedenserhaltenden Maßnahmen sei. Aber wenigstens hatte sie darob vergessen, sich erneut über den Alleingang des Connaisseurs zu beschweren
Dass Der Connaisseur seine kurze Auszeit vom „Sensomotorik- und Krafttraining mit und ohne Gerät“ mit seinem geliebten Weibe im mit einem Michelin-Stern dekorierten Restaurant „Paula“ im Hotel & Wirtshaus „Weisser Bär“ am Marktplatz von St. Wolfgang genoss, vergönnte sie ihm nach der später erfolgten Aufklärung erleichtert. Heisst der Chef doch Sebastian Leutgeb und ist keine Cuisinière. „Es kann ohnehin nur eine geben“, beschrieb Der Connaisseur das ewig gültige gastronomische Highlander-Prinzip.
Einen kleinen Spaziergang von einem der vielen Parkplätze rund um St. Wolfgang entfernt, liegt also direkt am Marktplatz der „Weisse Bär“, und selbst an regnerischen Tagen, die es ja selbst im Salzkammergut gelegentlich geben soll, schleicht man an Touristengruppen und Ramsch-Läden vorbei durch dieses pittoreske Dorf im oberösterreichischen Salzkammergut.
Diese Schilderung ließ Die Cuisinière kurz wirken, um dann zuzuschlagen: „Wie heißt der Ort nochmals?“ – Kurze Pause. – „Passt doch zum Namen!“ – „Jetzt tust du dieser reizenden Landschaft und vor allem mir äußerst unrecht“, empörte sich Der Connaisseur. Er nahm den Ramsch zurück und sie den – so meint er dennoch – unpassenden Namens-Witz. Und so war vorerst wieder Frieden im Lande.
Durch die urige Wirtsstub’n des „Weissen Bärs“ wird man sehr freundlich ins Gourmet-Restaurant geleitet. Am Weg dorthin fiel dem Connaisseur ein Tagesgericht auf der Schiefertafel auf: sautierte Steinpilze! Eines seiner Lieblingsgerichte, dazu hatte er heuer noch keine Steinpilze bekommen.
Mit großer Freude nahmen des Connaisseurs „beste Ehefrau von allen“ und er selbst bei „Paula“ Platz. Der Gastraum mit seinen fünf Tischen, in Grün (die Bänke) und Lila (Wand und Sesseln) gehaltenen, eine Farbkombination, die „gewöhnungsbedürftig“, so Der Connaisseur, oder „puristisch, leise und elegant“ (so die Selbstbeschreibung) wirkt.
Aber man gewöhnt sich daran, und „schließlich warst du ja nicht als Chromátiker, sondern wegen des Essens da“, hatte Die Cuisinière natürlich einmal mehr recht.
Direkt bei der Begrüßung betonte Der Connaisseur seine Vorliebe für Steinpilze, und bat um einen entsprechenden Einbau in das 5- oder 7-Gang-Menü als Zwischengericht. Offensichtlich war die sehr zuvorkommende und freundliche Service-Truppe unter der Leitung von Miriam mit dieser Frage etwas überfordert.
„So einfach, wie du dir das vorstellst, ist das aber auch nicht!“, sprang Die Cuisinière für den Berufskollegen in die Bresche, noch dazu, nachdem sie recherchiert hatte, dass auch er im „Adlon“ in Berlin war – „allerdings Jahrzehnte nach dir“, ließ Der Connaisseur seinem bekannten Charme freien Lauf.
„Na ja, so einfach sollte das aber schon sein, zumal auch im ‚Weissen Bär‘ Leutgeb Chef de Cuisine ist“, so Der Connaisseur weiter. Da hatte er aber nicht mit der professionellen Solidarität der Cuisinière gerechnet, die weit ausholend etwas von „Geschmackserlebnissen, aufbauende Gerichts-Folgen, lange durchdachte Zutaten und wie das alles zueinander passen“ müsse, sprach. Plötzlich war Der Connaisseur ziemlich froh, dass sie nicht mit in St. Wolfgang war.
Es blieb dabei, mit großem Bedauern wurde dem Connaisseur mitgeteilt, dass ein Zwischengang mit Steinpilzen nicht möglich wäre. Was diesen schwer enttäuschte. Und Die Cuisinière versöhnlich werden ließ, denn „eine kleine Kostprobe sollte schon möglich sein“.
Begonnen hat der Spaß also nicht mit Steinpilzen, sondern mit einer „Knusprigen Zigarre vom geräucherten Saibling mit Saiblings-Kaviar und Kräutercreme“, serviert in einer Zigarrenkiste, was ein wirklich schöner erster Apero war. Dann „Dreierlei von den Pilzen: Erdäpfel-Cannoli gefüllt mit Pilzcreme und eingelegten Enoki-Pilzen, Knuspriger Pilz-Tapioka mit Beef Tartar und australischem Wintertrüffel“ und schließlich ein „Pilztee mit Liebstöckel-Öl“.
„Zum Niederknien, so dicht und stark“, kamen dem Connaisseur beinahe die Tränen. „Vergessen war das Boletus-Drama“, konnte es Die Cuisinière nicht lassen, in alten Wunden zu wühlen. Der exzellente frührote Veltliner vom Frischauf um bemerkenswerte 25 Euro die Bouteille machte es wieder gut.
Als Amuse-Bouche kam dann „Ragout von der pochierten Poget-Auster Nr. 2 mit Gold Selection Kaviar und Kopfsalat“, vom Chef selbst serviert – „und kein Wort zum Steinpilz-Desaster“, wurde Der Connaisseur schon wieder nachtragend … „Wenn’s aus der gleichen Küche kommt, sollte das schon möglich sein …“, gab ihm Die Cuisinière zu seiner Überraschung sogar recht.
Der erste reguläre Gang war dann ein feiner „Saibling mit jungen Rüben und Safran“. Die Rüben waren Miriam eine extra Erwähnung wert: sie kommen nämlich aus dem kleinen Ort Abersee, vis-à-vis von St. Wolfgang, „wo sie noch heute in der Früh in der Erde waren“.
Nicht Teil des regulären fünfgängigen Menüs: „Entenleber süß & salzig“. „Die musste sein!“, wusste Die Cuisinière um sein dauerndes Bemühen um das, was er als Ersatzteil-Nachschub bezeichnet – wie man spätestens seit seinem Besuch am Tulbingerkogel weiß. „Was sagt eigentlich Admiral Duck zu deiner Ersatzteil-Politik?“, wollte Die Cuisinière wissen. – „Er betrachtet das als besondere Auszeichnung“, erwiderte Der Connaisseur und ließ keine weiteren Nachfragen zu.
Jedenfalls war er von der Entenleber hin und weg, genau richtig in Textur und feinem Geschmack. Der übergroßen, schwarzen australischen Winter-Trüffel hätte es allerdings nicht bedurft, sind diese doch bekanntlich weitgehend geschmacklos. „Ja, der Schein-Perigord wird immer wieder gern im Übermaß verhobelt, reine Show“, war Die Cuisinière – zurecht – streng. Dafür war die Terrine mit Pfirsich-Ragout und -Gel, Haselnüssen und Balsamico von ausgesuchter Feinheit.
Unter dem originellen Namen „Dinkelshausen – St. Wolfgang 2.0“ verbirgt sich, wie Servicekraft Miriam erläuterte, die Verbindung ihrer Heimat, nämlich Bayern, mit seiner, nämlich dem Salzburgerischen. Dinkelshausen in Oberbayern ist eine Kartoffelregion. Und das Salzkammergut ist für seine Fische berühmt. Die Kombi: „Pochierte Fuschelseeforelle, kleine Kartoffelknödel, Schnittlauchöl, aufgeschäumte Sauerkraut-Nage, Forellenkaviar, Schnittlauchspirali, Brickteigchips“.
Und schon kommt der nächste Fisch: „Zander im Zucchini-Mantel gedämpft, getrocknete Tomaten, Taggiasca Oliven, Kapern, Basilikumöl, Tomatenfond, Zitronen-Gel“. Was keine überraschende, aber eine erfreuliche Kombination hergibt.
Der erste Teil des „Maisstubenküken in zwei Gängen“ war eine herausragende Hendlsuppe mit Grießnockerl und Wachtelei. „Suppen hat er von Paula gelernt“, machte Der Connaisseur Die Cuisinière auf die noch offene Frage aufmerksam.
Der zweite Teil des Kükens, „Brust an der Karkasse gebraten“, mit viel Macadamianuss als Cremé, geröstet und Schnee, Eierschwammerln, eingelegter Marille. Und endlich „die Steinpilze“, dazu originellerweise etwas Reis. Erneut ein Vergnügen! – „Und wo sind die Keulen geblieben?“, fragte Die Cuisinière, um seine Hendlhaxn-Abneigung wissend. „Vor dir davongelaufen?“, lachte sie. – „Das ich dir sagen muss, dass die für die Consommé gebraucht wurden, überrascht mich“, retournierte er volley.
Ein neuerlicher Blick in die Weinkarte zeigte eine Kreszenz, die selbst Profis noch selten gesehen – und wohl noch seltener gekostet haben: ein Sauvignon Blanc aus Oberösterreich! Wenigstens mit einem für ältere Gourmets wohlklingenden Namen, nämlich Eschlböck. „Weder verwandt noch verschwägert mit der Mondseer Kochlegende Karl Eschlböck“, wurden wir aufgeklärt.
„Gewissen Kuriositäten muss man einfach Folge leisten und die Neugierde gehört zu unserem Geschäft“, beantwortete Der Connaisseur eine nicht gestellte Frage. Und da die Frau Gemahlin bekennende „Mosti“ (aus – umgangssprachlich – „Wööss“) sei, zeigte Der Connaisseur angeheirateten Lokal-Patriotismus.
Dagegen hat Miriam, die Restaurantleiterin und Sommelière, seine Erkundung, wie oft sie diesen Sauvignon Blanc (aus Hörsching!) bereits verkauft habe, mit „heute zum ersten Mal“ quittiert. „… weil er noch nicht so lange auf der Karte ist“, fügte sie noch hinzu. Beim Verkosten murmelte Der Connaisseur: „Pioniergeist soll jedenfalls belohnt werden!“ Und fügte höflich hinzu: „Ein wirklich untypischer Sauvignon Blanc.“ Um 39 Euro gäbe es allerdings auch schon typischere südsteirische Gewächse …
Zum Abschluss gibt es die „Lehner Erdbeere 2025″ – benannt nach dem Obstbauern – und ein Post-Dessert mit handgeschöpfter, bunter Schokolade.
„So, und darf ich jetzt endlich wissen, was es mit Paula also auf sich hat?!“, blieb Die Cuisinière gewohnt hartnäckig.– „Die Oma des Patrons und Sternekochs Sebastian Leutgeb hieß so.“ Sie habe ihn geprägt wie niemand sonst. „Sie hat immer frisch gekocht, mit vielen Köstlichkeiten aus ihrem eigenen, riesigen Garten, mit vielen Kräutern und hervorragenden Zutaten“, erzählt Miriam. Die Cuisinière war mit einem Mal total versöhnt und sagte nur: „Genau wie meine Urla!“ Und meinte damit ihre Urgroßmutter, die sie ebenso geprägt hat wie offenbar seine Oma den jungen Sternekoch Sebastian Leutgeb.