Sie hatten schon einiges von der Neueröffnung auf dem kleinen, sehr urbanen Platzl nebst der Wiener Rotenturmstraße und vis-à-vis des Erzbischöflichen Palais gehört. Vor allem eine „Innovation“ machte neugierig: „Der Figlmüller diversifiziert sein Schnitzel“, mutmaßte Der Connaisseur. Und war daher diesmal nicht allein aufgebrochen.
Das „Figoletta“ stand auf der Liste – mit „Pizza in neuer Panier“, spielte er sprachverliebt auf die – diesfalls sehr passende – Wiener Bedeutung an. Ob es sich allerdings um „a Ansa-Panier“ handelt, war zu überprüfen, in illustrer Doppelpackung mit der Cuisinière
Und erst dort gestand sie einen weiteren Grund für ihren Besuch: Mit Markus Brunner, seit 15 Jahren Küchendirektor im Figlmüller-Reich, hatte Die Cuisinière schon im ehrwürdigen „Le Ciel“ am Saucier zusammen gekocht, wo alles an warmen Fleischgerichten, Suppen große Saucen und Reduktionen gezaubert wurde …
Los ging’s aber antipastisch: Filetti di Acciughe di Lusso (zarte Sardellenfilets mit Artischoken-Creme und Pistazie, 6,50 Euro), Stracciatella di Bufala mit Limonen-Olivenöl, Honig, Chili, Panko, eingelegte Tomaten und Basilikum (13,50 Euro), Carciofini Fritti (Frittierte Babyartischoken mit Zitronen-Aioli, Meersalz und Zitrone, 11,50 Euro), dazu dünnes ofenfrisches Pizzabrot (4,50 Euro) als Vorbote der neapolitanischen Pizza-Qualität.
„Das hat durch die Bank Spaß gemacht“, waren sich beide danach einig. „Locker, flockig, zum Durchkosten quer über den Tisch. Service: flink, aufmerksam, ohne Show“ – man fühlt sich sofort im „Centro Cittá“ angekommen.
Damit nicht nur der Fisch schwimmen muss, sondern auch die Pizza baden darf, empfiehlt es sich, ein offenes Moretti alla spina (0,4 l um 6,50 Euro) oder das Glasl Pinot Grigio La Jara Doc 2024 (5,90 Euro) zu erwerben.
Dann die viel beschriebene „gebackene“ Pizza namens Figolino (14,90 Euro), serviert in drei Mini-Varianten: Vitello Tonnato, Marinara, Prosciutto Stracciatella. Sie ähnelt vom Geschmack einem Langos, was der Qualität keinen Abbruch tut. „In frischem Fett ‚aussebach’n‘, nicht wie wir es von unserem Prater-Besuch nach der Firmung kennen!“, schwelgt Die Cuisinière in (wenig lukullischen) Erinnerungen.
Der Connaisseur versucht mit neugierigem Blick die Figolinos – wie er es bei Tim Mälzer beobachtet hat – zu sezieren. „Technisch sauber, geschmacklich ein Déjà-vu“, stimmt er ihr zu. „In Wien wird ja vieles frittiert – aber ob Pizza dazugehört, ist die eigentliche Frage.“
Die Cuisinière, von Berufs wegen streng, zog die Brauen hoch und meinte noch: „Das hat in Neapel so nie jemand erfunden.“ Es war also klar: Begeisterung sieht anders aus. „Sie nennen es eh ‚Pizza nach Wiener Art gebacken'“, zitierte Der Connaisseur aus der Karte. Ungeachtet dessen, wurde er der Cuisinière langsam peinlich … übrigens nicht zum ersten Mal.
„Warum heißt das Lokal eigentlich ‚Figoletta‘?“, stellte er in diesem Sinn gleich die nächste Frage. Das namensgebende Cotoletta Milanese (übrigens um wohlfeile 39,90 Euro) spiele ja jetzt nicht diese Rolle … „Figozza“ wäre da passender.
Luca Miliffi, der Dealer aller edlen Italianità-Alimentari (besonders bekannt für seine ausgezeichneten Trüffel), lacht: Figozza oder Fecozza bedeute im neapolitanischen Dialekt „Faust“ oder „Schlag“. – „Ok, nicht wirklich passend“, erkennen die beiden „kultigen Gourmet-Kritiker“ (eine Bezeichnung, auf die sie besonders stolz sind, stammt diese doch von Kopfnüsse-Edelfeder Christian Nusser). Und ersparen sich irgendwelche billigen Wortspiele rund um: passt wie die „Figozza auf’s Aug'“ – man isst schließlich in der Innenstadt!
Es lag aber auch „nicht alles unter einer Panade“, erwähnte Die Cuisinière das Kontrastprogramm aus den „Figoletta Signature Pizze“, die „Tokyo Tuna Crudo“ mit Yellowfin Tuna Sashimi, Soja-Glace, Avocadocreme, Koriander, Yuzu-Ponzu-Trüffeldressing, Chili-Mayo, Frühlingszwiebel und Sesam). „Toller Teig, knuspriger Boden, Belag mit Sashimi-Assoziationen – das Publikum dafür findet sich garantiert. Wie California Roll trifft Pizza, um 29,50 Euro“, lacht Die Cuisinière.
Sehr wohl Herzenssache: die hausgemachten Tagliatelle Bologna (15,90 Euro) – „schlicht, gut, tröstlich“ – und die bereits erwähnten Cotoletta (samt „italianisiertem“ Erdäpfelsalat mit Chicorée und Treviso vulgo rotem Radicchio). Hier punktet die Küche „mit geradliniger Ehrlichkeit“, analysiert Die Cuisinière.
Die Empfehlung des Connaisseurs: „Wer zweifelt, bestellt klassisch – Bolognese & Cotoletta sind sichere Bänke.“ Man müsse nicht originell um jeden Preis sein. – „Manchmal bin ich halt doch einfaches Gemüt und vertiefe mich in die ausgezeichnete Bolognese und träume vom durchzogenen Teil der Cotoletta!“, stimmt sie ihm sogar zu. Der Connaisseur denkt sich, ob seiner Fett-Aversion, den durchzogenen Teil weg …
Um den Abend leicht zu beenden, gab es Sorbet (11,50 Euro) aus und in der Amalfi Zitrone serviert.
So blieb das „Cena“ ein heiterer Ausflug, ein Stück Erinnerung an das „Le Ciel“ und zugleich ein Schritt in die Originalität der Wiener Gastro-Szene, wo man gerne ein bisschen experimentiert – und manchmal vielleicht auch ein wenig zu viel … waren sich die beiden wenigstens ein wenig einig!
Italienisch inspiriert, fragt Die Cuisinière beim Verlassen der „Figoletta“ den Connaisseur: „Sag, ist es nicht bald soweit … dein Schauspiel-Debüt bei der Ausseer Mafia?“ – „Altaussee-Krimi“, korrigiert er. „Samstag, 1. November, 20.15 Uhr, „Letzter Stollen – Eine Leiche im Bergwerk“ auf ServusTV“, liefert er ungefragt Details – samt Andeutung, dass er es sogar in den Titel geschafft habe.
„Was du dir alles merkst“, ist er ein wenig stolz auf Die Cuisinière. Die aber macht sich gerade Sorgen, dass ihr Der Connaisseur in eine neue Branche ausbüxen könnte, wenn sie weiter so aufmüpfig bleibt …