Die physikalische Quantengleichung isst zwischen Würstln und Atomen, wie sie ist!

Was – außer einer bemerkenswerten Würstel-Diagonale – rauskommt, wenn Die Cuisinière alleine über Nürnberg und Regensburg nach Kaiserslautern fährt, der abwesende Beifahrer sich immer und überall einmischt und sie von etwas spricht, von dem sie überhaupt keine Ahnung hat.

    Die Cuisinière und Der Connaisseur beim Würstelstand ind Wien
    Die Cuisinière und Der Connaisseur bei der Nachprüfung, der physikalischen Würstl-Tour in Wien© Privat

    Eine kulinarische (!) Dienstreise nach Kaiserslautern und Umgebung zu planen ist ungefähr so, als würde man Austern in der Wüste suchen. Doch Die Cuisinière tat es. Cabrio, Sonnenbrille, entschlossene Miene – und schon rauschte sie los. Ganz ohne den Connaisseur, der sonst kommentierend, spöttisch und liebevoll-nörgelnd über jeden Teller mitisst. Diesmal aber: Stille auf dem Beifahrersitz. Na gut – nicht ganz. Denn sein imaginäres Echo, diese feine Stimme zwischen Ironie und Oberlehrer, fuhr natürlich mit: „Kaiserslautern? Du weißt schon, dass es dort weder Meer noch Berge gibt?“
    Der Grund war allerdings unerschütterlich: der Cousine, zugleich Taufkind der Cuisinière, wurde der Master in Quantum Technologies and Engineering verliehen. „Was bitte??“, frug Der Connaisseur? Der großen Cousine Antwort war interessant, aber wenig erhellend: „Nun tüftelt sie als Doktorandin in der Experimentalphysik an einem ultra kalten fermionischen Quantengas Experiment von Lithium 6“. „Ah eh!“, entfuhr es ihm wissend.
    Der Weg nach Rheinland-Pfalz führte über Nürnberg. Ohne Reservierung für die Nahrungsaufnahme, wie immer. Der Connaisseur hätte längst gemahnt: „Du wirst hungrig enden.“ Und tatsächlich: Der hippe Ein-Sterner Tisane hatte zwar Drinks, aber kein Essen mehr. „Das ist doch ein Witz, um 20.00 Uhr nichts mehr zum Essen?!“ rief Die Cuisinière, während im Hintergrund das höhnische Lachen des imaginären Beifahrers zu hören war. “Hör jetzt sofort auf!”, wurde sie grantig, “ No reservation – just come by!” zitierte sie von der Website über ein “entspanntes After Work, 17 bis 22 Uhr, Special Drinks, Sexy Bar Food”.

    Rettung brachte der Ein-Sterner Wonka. Vier Gänge, 120,50 €. Und ein Sprint quer durch die Stadt. „Ein Taxi hätte es auch getan“, murmelte die innere Stimme, doch Die Cuisinière war stolz, es per pedes geschafft zu haben. Das Menü bewies dann, dass Küche und Quanten nicht so weit auseinanderliegen. Dass sich Die Cuisinière – bemüht – in die Materie eingelesen hatte, zeigten ihre kreativ-physikalischen Beschreibungen der Gänge. “Zumal 2025 das Jahr der Quanten ist”, verblüfte sie Der Connaisseur mit seiner soliden Halbbildung.

    Kohlrabi-Kartoffel-Katsuobushi – leicht, präzise, ein Auftakt wie ein sauber justierter Laser.
    Loup de mer mit Kimchi und Umeboshi (aus dem Frankenland) – kontrastreich wie ein Doppelspalt-Experiment, salzig, süß, frisch. „Das ist pure Interferenz auf der Zunge!“ erkannte sie.

    Kaninchen-Gyoza mit Teriyaki – ein seltener Gast, dazu Ananas und Kukuruz, die Garung tat keinen Abbruch. „Quantenfluktuation auf dem Teller“.

    Matcha-Pistazien-Himbeer-Dessert – klar, einfach, und dennoch voller Tiefe. „Fast schon eine Verschränkung von Atomen.“

    Der Connaisseur, unsichtbar neben ihr, seufzte: „Wenn du anfängst, Teller mit Atomen zu vergleichen, bin ich raus.“ Doch Die Cuisinière wusste filosofisch versunken: “Genau das ist meine Art, die Welt zu verstehen.“

    Am nächsten Morgen: Stadterkundung, Bratwurstmuseum von außen. „Nicht hineingegangen?“, donnerte die Stimme. „Doch, in den Shop!“, antwortete Die Cuisinière trotzig – zu niemandem außer sich selbst.
    Mittags dann der Pilgerpfad: Zum Gulden Stern, älteste Bratwurstküche der Welt, die 6er Röstla (der geschützte Name der original Nürnberger Bratwürste) mit Kartoffelsalat (11,20 Euro) ungebrüht über Buchenholzfeuer: “kräftig, grob, ehrlich”. Der Kartoffelsalat: “etwas blass vom Charakter, den Teller muss man mögen”. Doch auch hier fand Die Cuisinière ihre Analogie: „Wie bei Fermionen – das Ensemble macht die Musik, nicht das einzelne Teilchen.“ Der Connaisseur stöhnte: „Jetzt reicht’s aber mit der Physik.“ Sie: “Du wirst es nicht glauben, den Vergleich zum Michelin-Würstl, den lass ich bei der Rückfahrt nicht aus!“
    Denn nur in Nürnberg schafft es auch ein Würstl in den Guide Michelin.

    Nach den kulinarisch aufgeladenen Zwischenstopps in Nürnberg – Tisane kulinarisch geschlossen, Wonka geglückt, Würstel I verkostet – kam sie nun also endlich dort an, wo kein Michelin-Stern leuchtet: Kaiserslautern. Eine Stadt, die zwar 50.000 Einwohner hat, aber gastronomisch ungefähr so viel Aufsehen erregt wie ein Glas Leitungswasser im Burgundersaal.
    „Na, wo gehst du denn da essen?“ – Die Frage stand im Raum. Der Connaisseur hätte vermutlich geseufzt und eine Liste aus dem Ärmel gezogen. Doch Die Cuisinière – obzwar sehr stolz und aufgeregt wegen der bevorstehenden akademischen Feiern – blieb diesbezüglich pragmatisch: zum Asiaten – Markt28. Sommerrollen in 2 Versionen zu je 4,40 Euro, mächtig, frisch, ehrlich gut. Kein Stern, kein Firlefanz – aber manchmal braucht man eben mehr Erdnuss als Etikette.

    Der große Tag kam: Besuch in den Laboren der Technischen Quantenphysik. Die Cousine Louisa – Taufkind, Masterabsolventin, frischgebackene Doktorandin – führte ihre großteils aus Österreich angereisten Schlachtenbummler stolz durch ihr Reich aus Lasern, Spiegeln, flüsternden Maschinen und als Höhepunkt zum Quantencomputer. Zuvor wurden die Labore besucherfreundlich gesichert.

    Die Cuisinière sah staunend in die Labore, nickte klug und dachte sich: „Eigentlich ist das wie Kochen.“ Denn auch hier wird mit Präzision hantiert: Ein falscher Laserstrahl – Experiment verdorben. Eine Spur zu viel Salz – Teller ruiniert. „Du vergleichst ernsthaft Quantenphysik mit deinem Kaninchen-Gyoza?“ höhnte der unsichtbare Connaisseur. Doch je länger sie darüber nachdachte, desto mehr Parallelen fand sie:
    Ultrakalt wie ein Sorbet: Die Forscherinnen jagen Atome auf Temperaturen nahe dem Nichts. „Wie ein Granita, nur nicht fruchtig“, murmelte Die Cuisinière.
    Spiegelungen wie auf dem Teller: Die Laserstrahlen tanzen, brechen sich, interferieren. „Wie meine Tellerkunst, wenn der Saucenspiegel perfekt sitzt“, verteidigte sie sich.

    Fermionische Paare: Lithium-6-Atome koppeln sich unter bestimmten Bedingungen. „Wie eine gelungene Weinbegleitung“, dachte sie. „Manches funktioniert, manches nicht – aber wenn es passt, dann leuchtet der ganze Abend.“

    Der Connaisseur, unsichtbar neben ihr, verdrehte die Augen: „Wart’s ab – am Ende behauptest du noch, deine Küche hat mehr Quantenverschränkung als ein CERN-Experiment.“

    Die Cuisinière gab sich ganz große Mühe, mitzudenken. Ehrlich. Doch nach dem dritten „fermionischen Gas“ war klar: Sie blieb, was sie war – ein Kochlöffel. „Ich hätte dich sehen wollen mit deiner Detailverliebtheit“, murmelte sie und hörte, wie Der Connaisseur amüsiert schnaufte: „Du hättest selbst Atome probiert, wenn man sie dir serviert hätte.“

    Zur Stärkung gings – ganz geerdet – in die Mensa. Dort hätte Die Cuisinière gerne den Kochroboter in Aktion gesehen (dessen Gehäuse aus ihrer Heimat Lilienfeld stammt). Der aber im Krankenstand war. Also gab’s das „Einser-Menü“: Dampfnudeln. Ein Gericht, das zu hitzigen Diskussionen führte – Buchtel oder Germknödel? Die Cuisinière blieb standhaft, recherchierte und bewies schließlich: Es ist quasi eine Kombi – unten knusprig gebacken, oben wie ein Germknödel! Und das Ganze, ungefüllt, salzig, und mit Vanillesauce!! “Ein Dessert mit Identitätskrise, das alte Schulskikurs-Erinnerungen wach kitzelte.”

    „Beim Kitchen Impossible hättest du damit brilliert!“, hörte sie den Connaisseur sagen. Und er hätte recht gehabt.
    Am Abend dann die akademische Krönung: Louisa hielt endlich ihren Master in Händen – Rheinländisch-Pfälzische Technische Universität, kurz RPTU, Quantenphysik in Goldschrift.

    Danach der Versuch, in einer Stadt ohne Michelin etwas zu finden, das sich Dinner nennen darf. Ergebnis: Mr. Lian: Solide. Freundlich. Die Crispy Salmon Roll (5 Stk. 9,90 Euro) ohne Überraschung, aber mit Freude. Die Sommerrollen (8,20 Euro), ebenso. Allerdings blieben die vom Vortag ungeschlagen – manchmal ist Thai eben Thai.

    Auf der Rückfahrt Richtung Heimat – vier Stunden Cabrio, begleitet von Sommerwind und Connaisseur-Gespenst – versucht Die Cuisinière, das Kapitel Würstl endgültig wissenschaftlich abzuschließen.
    Wie angekündigt bog sie noch einmal in Nürnberg ein, in jenes Bratwursthäusl, das der Michelin mit einer Erwähnung adelt. Sechs Rostbrat-Würstel, Kartoffelsalat (11,90 Euro) – und das Fazit: Teller gleich, geschmacklich kaum bis kein Unterschied, außer daß sie feiner waren als die im Gulden Stern letzthin, der Salat im „ Häusl“ war ein wenig gschmackiger. „Also, wenn du wen schicken willst, lieber Connaisseur“, diktierte sie lachend in den Fahrtwind, dann zum Stern. Das Häusl ist zu schön, zu neu, zu touristisch.”
    “Thema Würstl damit abgehakt!”, zeigte sich Der Connaisseur hoffnungsfroh, sah er sich schon als Würstelstand-Tester sein kulinarisches Leben beendend!

    Nach einem kleinen Nachmittagsjauserl führte sie der Weg nach Regensburg. Die Stadt vibrierte im Jazzfestival-Takt – zu viel Trubel für die müde Cuisinière. Sie floh in den Uni-Tec Square, ins Ontra. Ein Ort, bei dem man beim Reservieren besser aufpasst: Ontra oder Ontra Gourmetstube – man weiß es nicht so genau. und ob es offen hat,. Sie landete – wohl versehentlich – in der Hochzeitslocation. (!) „Hab ich was versäumt?“, lachte Der Connaisseur. Und erwartete sich ohnehin keine Antwort.
    Das Hochzeits-Menü? Also doch!?! Jedenfalls eine Reise durch sommerliche Improvisation:
    Amuse Bouche: Gurken-Minz-Kaltschale, Miso-Sesam-Butter – eines von Deutschlands Trendprodukten des Jahres.
    Vorspeisen-Dreiklang: Gebratener Romanasalat mit Tomate, Wassermelone, Avocado (16 €) – leicht, unkompliziert, vielleicht mit Restmelone vom Vortag.

    Burratino mit Pfirsich und rosa Pfeffer (17 €) – gut, aber nicht wie jener vom „Luca“.

    Carpaccio von der Jakobsmuschel (29 €) – charmant, aber verdächtig uniform.und geschmacklich flach „Das kommt fertig aus dem Großhandel“, flüsterte ihr innerer Spürsinn. „Sollte wenigstens den Vorteil haben: immer frisch.“, beruhigte grinsend  Der Connaisseur in ihrem Kopf.

    Dann – Regen. Natürlich. Die Cuisinière rettete sich unter die Arkaden des Wirtshaus Heuport. Sie blieb draußen, weil frische Luft wichtiger ist als trockene Schuhe, und entdeckte den Blauen Zipfel (11,90 €). „Was ist das schon wieder?“ hörte sie ihn fragen. “Eine Bratwurst im Essigsud! Super wars, erfrischend,würzig, saftig, leicht!” Das tat sie absichtlich, war sich Der Connaisseur mit schmerzverzerrtem Gesicht ob seiner ihr bekannten Essig-Allergie sicher.

    Zum Abschluss musste noch die wieder einmal älteste Bratwurst Kuchl mitgenommen werden, ein Bratwurst-Kipferl to go (4,30 €) mit Sauerkraut, am nächsten Morgen das Frühstück vor der Schifffahrt. Das Foto misslungen, das Kipferl gelungen. Und irgendwo zwischen Regensburg und Donau flüsterte die innere Stimme: „Ich glaube, ich muss eine Ausschreibung machen – du brauchst wieder einen echten Connaisseur an deiner Seite.“